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„KI ist ein bisschen wie die Entdeckung des Feuers“

Arbeitskreis für Kommunal- und Wirtschaftsfragen: Chancen und Risiken des Einsatzes von künstlicher Intelligenz

Von Lasse Schneider

Marburg. Was bedeutet das Thema künstliche Intelligenz (KI) für mittelständische Unternehmen? Diese Frage stand am Donnerstag im Mittelpunkt einer Veranstaltung des Arbeitskreises für Kommunal- und Wirtschaftsfragen (AFK) Marburg. Das Sprachmodell ChatGPT hat wöchentlich 200 Millionen aktive Nutzer – Tendenz: steigend. Allein das unterstreicht, wie groß das Thema mittlerweile ist.

So sagte auch der stellvertretende Vorsitzende des AFK, Michael Müller, in seiner Begrüßung: „Es kommt ein Internet, das nicht mehr weggeht. Es kommt eine Digitalisierung, die geht nicht mehr weg.“ Nun gebe es auch eine neue Herausforderung in Form von KI, die auch nicht mehr weg gehe und vor der man nicht die Augen verschließen dürfe, was die „Entwicklung in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, aber auch bei den Menschen angeht“.

KI im Unternehmen

Die Veranstaltung im Cineplex begann mit einem Vortrag von Steven Sumner, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur sgc (sumner groh + compagnie). Mit der Analogie „KI ist ein bisschen wie die Entdeckung des Feuers“ erläuterte er seine Sicht auf die Entwicklung: Sie eröffne zwar viele Möglichkeiten, zehre aber auch immer an etwas. Im eigenen Unternehmen war Sumner zunächst der Überzeugung: „Das, was wir machen, wird KI lange nicht erreichen.“

Doch die Zusammenarbeit mit einem Praktikanten, der an einem eigenen Projekt unter Einsatz von KI gearbeitet habe, habe ihn von dieser Meinung abgebracht. Durch den Einsatz von KI zur Bild- und Textgenerierung hatte der Praktikant sein eigenes Projekt im Alleingang umgesetzt. Die Reaktion von Sumners Team: „Da hat jetzt mal die KI all das, von dem wir ausgegangen sind, in den Boden gestampft.“

Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt sei ein „unglaublich emotionales Thema“, so Sumner. So kann die Arbeit von Illustratoren oder auch Textern zu großen Teilen durch KI ersetzt werden. „Leute, die eine Ausbildung gemacht haben, stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen.“ Es gehe aber nicht darum, Arbeitskräfte durch KI zu ersetzen, sondern „die Menschen, die wir haben, zu befähigen, damit zu arbeiten“.

So würden KI-Anwendungen viele Arbeitsprozesse deutlich beschleunigen. Das müsse man auch nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nachdem Sumner die Nutzung von KI aus seiner Sicht erläutert hat, wurde das Thema zusammen mit dem Geschäftsführer von Mittelstand.ai, Dr. Michel Becker, und der Geschäftsführerin Lena Happel-Schreyer, vita fitness GmbH & Co.KG, in einer Podiumsdiskussion weiter vertieft.

Auf die Frage, ab wann Künstliche Intelligenz an einem Punkt angelangt sei, an dem sie klüger sei als der Mensch, gab sich Sumner ratlos:

„Wenn ich diese Frage auch nur annähernd beantworten könnte, würde ich mich deutlich sicherer fühlen.“ Der Versuch, eine klare Prognose für die Entwicklung der KI abzugeben, sei für ihn nicht sinnvoll. „Da kann man nur ins Blaue schießen.“ Die nächste große Entwicklung sieht er in sogenannten AI Agents – autonomen Programmen, die eigenständig Entscheidungen treffen und mit der Umgebung sowie anderen Agents kommunizieren und agieren können, um so zum Beispiel ein Auto von selbst fahren zu lassen.

„Diese ganzen bahnbrechenden Entwicklungen kommen aus den USA und China“, merkte Becker an. So sei man in der EU zwar in Sachen Ethik und Nachhaltigkeit gut aufgestellt, es fehle aber an einem guten wissenschaftlichen System, an Kapital und an Energie.

Sumner ergänzte, es fehle uns in Deutschland zwar nicht an Talent, aber „wir haben Schwierigkeiten, das Talent hier zu halten.“ Denn die Kapitalisierung des Ganzen, so der Podiumsgast, liege im Ausland.

In Bezug auf den Einsatz im Gesundheitswesen meint Happel-Schreyer, dass KI zwar „sehr nützlich“ sein könne, man müsse sie aber auch mit einer gewissen Skepsis betrachten. So gebe es ethische und moralische Bedenken, zumal die eigenen Gesundheitsdaten auch etwas sehr Persönliches seien, das nicht jeder mit KI-Anbietern teilen möchte.

„Wenn ich mich bei einer Therapie auf KI verlasse und die Behandlung schlägt nicht an – wer haftet dann dafür?“, stellte Happel-Schreyer als Frage in den Raum. Bevor man das Ganze für eine breite Masse zugänglich mache, würde sie es eher als individuelle Gesundheitsleistung sehen: „Nicht für jeden ist ein KI-Programm nötig.“

Die Nutzung von KI in einem Unternehmen sah Becker als „sehr branchenabhängig“ und auch die strukturelle Abhängigkeit von KI könne stark variieren, sollte sie denn einmal nicht funktionieren. Auch er sagte, es gehe beim Einsatz von KI nicht darum, Arbeitsplätze abzubauen, sondern durch den Einsatz von KI Kapazitäten für Arbeiten zu schaffen, die nur von Menschen erledigt werden können.

Nach Sumner „werden wir in Zukunft damit arbeiten, ohne dass wir uns damit auseinandersetzen müssen“, so als würde man ein herkömmliches Office-Programm lernen. „Wir müssen einfach agil damit bleiben“, meint Becker und betont auch, dass man in Sachen KI nicht „wie ein Hase vor einer Schlange“ in eine Schockstarre geraten sollte.



Quellenangabe: Oberhessische Presse vom 31.08.2024, Seite 22